Schutzstreifen? Besser einseitig als zu eng!
Im Februar 2024 wurde im Verkehrsausschuss (AMV) das Radverkehrsnetz für Bergisch Gladbach beschlossen (Ö11). Es sieht die fahrradfreundliche Gestaltung von 19 wichtigen (bestehenden) Radrouten vor; dabei sollen u.a. 14 kleinere Straßen als ‘Fahrradstraßen’ umgeplant werden.
Zuerst werden die Routen F2 (Lustheide bis Bensberg entlang der Linie 1) und F4 (Hermann-Löns-Straße bis S-Bahnhof) angegangen. Am 12.11.2024 kamen die ersten Planungen in den AMV: zur Siegenstraße in Refrath (Ö12) und zur Hermann-Löns-Straße (Ö13) in Hand/ Gronau.
Die Hermann-Löns-Straße hat bisher wenig Aufmerksamkeit erfahren. Auch im Ausschuss wurde das Thema schnell abgehakt.
Die große, aber nur mäßig stark befahrene Straße (max. 5.570 KFZ/24h, mittlerer bis hoher Schwerverkehrsanteil) verbindet das Hermann-Löns-Viertel mit der Innenstadt über den S-Bahnübergang Tannenbergstraße, der im Zuge des S-Bahn-Ausbaus geschlossen wird. Laut ERA 2010 (siehe Bild 7) befindet sich die Verkehrsstärke (max. 430 KFZ/h, Tempo 50) genau am Übergang von ‘Mischverkehr Rad/ KFZ’ zu ‘Schutzstreifen’.
Die Stadtverwaltung schlägt in ihrer Planung (Ö13) vor, von Duckterather Weg bis Buchholzstraße fast durchgängig beidseitige Schutzstreifen von 1,50 m Breite anzulegen. Lediglich an den Engstellen östlich der Gutenbergstraße (S-Kurve) und östlich der Nikolaus-Lenau-Straße (Parkplätze) soll es aus Platzgründen nur einseitige Schutzstreifen geben.
Die Markierung beidseitiger Schutzstreifen halten wir nicht nur für überflüssig (ERA), sondern für gefährlich. Zwischen den Streifen verbliebe über weite Strecken nur eine Kernfahrbahn in Mindestbreite von 4,50 m. Das Beispiel der Lützerathstraße in Köln-Rath zeigt, dass in diesem Fall die Schutzstreifen permanent (und nicht nur bei Begegnungsverkehr) vom KFZ-Verkehr überfahren werden. Laut StVO (Anlage 3 Lfd. Nr. 22 Satz 2) darf das jedoch nur “bei Bedarf” passieren.
Messungen haben zudem gezeigt, dass KFZ-Lenker:innen beim Überholen weniger Abstand halten, wenn Radfahrende auf einem Schutzstreifen unterwegs sind. Offenbar wird die gestrichelte Linie als Abgrenzung der Fahrspuren gesehen: “Der Radfahrer hat seinen Raum, ich (als KFZ-Lenker) habe meinen.” Der Mindestabstand beim Überholen von Radfahrenden von 1,50 m (innerorts) gilt auch bei Schutzstreifen! Aber entweder wissen viele Autofahrer:innen das nicht, oder es wird von der o.g. Fahrspuren-Denkweise überlagert.
Besonders problematisch ist die Planung im Bereich der langgezogenen, begrünten Mittelinseln (westlich und östlich der Damaschkestraße). Hier sind die KFZ-Spuren z.T. nur 2,25 m breit (Ö13, Anlage 5). Busse und LKW müssten somit zwangsläufig den Schutzstreifen überfahren. Es ist zu erwarten, dass viele KFZ hier deutlich zu eng überholen würden – anstatt hinter dem Radfahrenden zu bleiben, bis die Gegenfahrbahn mitgenutzt und der Mindestabstand eingehalten werden kann.
Stattdessen schlagen wir vor, in östlicher Richtung (bergauf) einen einseitigen Radfahrstreifen oder, wo das aus Platzgründen nicht möglich ist, einen Schutzstreifen in RFS-Breite (1,85 m) anzulegen. Bergauf sind Radfahrende wesentlich langsamer als KFZ unterwegs, während sie bergab gut im Mischverkehr “mitschwimmen” können, was durch Piktogramme hervorgehoben werden könnte.
Neben den begrünten Mittelinseln muss entweder so viel Platz sein, dass Radfahrende gefahrlos überholt werden können – oder so wenig, dass ein Überholen nicht möglich ist. Das ließe sich erreichen durch breitere Inseln (ca. 3,50 m) oder eine asymmetrische Aufteilung, bei der auf der Nordseite 3,25 m und auf der Südseite 5 m (KFZ-Spur + Radfahrstreifen) verblieben.
Ein besonderes Augenmerk sollte auf die Kreuzung mit Willy-Brandt- und Damaschkestraße gelegt werden. Hier kreuzen sich die Radrouten F4 (Hermann-Löns-Straße) und F5 des städtischen Netzes; entsprechend sollte in beiden Richtungen ein zügiges und sicheres Queren ermöglicht werden. Von Süden (Damaschkestraße) kommend ist das bisher nur bedingt der Fall – eine zweite Querungshilfe für Fußgänger wie Radfahrende könnte für Besserung sorgen.
Zur Siegenstraße ist bereits Einiges geschrieben worden(+).
Sie drängt sich als erste ‘Fahrradstraße’ der Stadt geradezu auf: Wenig Auto-, aber viel Fahrradverkehr – und noch wichtiger: Teil der Hauptroute von Bensberg über Refrath nach Köln und Schulweg zum OHG/ OHR. Dass es dennoch Protest der Anwohner:innen gibt, ist wohl dem Umstand geschuldet, dass Fahrradstraßen in GL noch terra incognita sind.
Um die Mindestbreite von 4 m einzuhalten, muss das ungeordnete Parken auf der Fahrbahn durch neu anzulegende Parkbuchten ersetzt werden. Die nicht einsehbare Ecke zur Straße Sandberg muss umgestaltet werden mit Vorfahrt für die Siegenstraße, beim folgenden Geh-/Radweg reicht ein Rückschnitt der Hecke.
Das Wichtigste ist jedoch die Querung der Vürfelser Kaule (an der Haltestelle Refrath), eine lange bekannte Gefahrenstelle. Vorgesehen ist die Anlage von zwei Querungsinseln nördlich und südlich der Schienen. Es wäre sehr zu wünschen, dass dies so schnell wie möglich geschieht!
Merke: Nicht alles, was das Etikett “für den Radverkehr” trägt, hilft tatsächlich den Radfahrenden. Manches ist auch einfach nur nicht zu Ende gedachter Aktionismus.