Der wahre Unterschied zwischen Schutzstreifen und Radfahrstreifen

Was ist der wahre Unterschied zwischen Schutzstreifen und Radfahrstreifen?
Entgegen der üblichen Kommunikation ist nicht die Erlaubnis des Befahrens durch andere Fahrzeuge, sondern die Gesamtbreite der maßgebliche Unterschied zwischen Schutz- und Radfahrstreifen. Schutzstreifen sind 1,50 m breit, Radfahrstreifen 1,85 m. Hier liegt der Unterschied nur bei 35 cm. Doch ist die Regelbreite des angrenzenden Fahrstreifens bei Radfahrstreifen gesetzlich auf 3,25 m festgelegt, bei Schutzstreifen lediglich rund 2,50 m. Somit steht je nach eingesetztem Streifen den beiden Verkehrsarten zusammen nur 3,75 m bzw. 4,60 – 5,10 m zur Verfügung.

Bei Schutzstreifen Bei Radfahrstreifen
Breite für Radverkehr 1,50 m 1,85 m
Breite für Kraftverkehr 2,25 – 2,50 m (max. 2,75 m) 3,25 m (mind. 2,75 m)
Gesamtbreite 3,75 – 4,00 m 4,60 – 5,10 m

 

Nun betrachten wir den Platzbedarf der beiden Verkehrsarten. Übliche Fahrräder sind rund 0,70 m breit und benötigen wegen der pendelnden Fahrweise einen Verkehrsraum von 1 m. Laut Richtlinien (RASt 06) ist ein PKW 1,75 m breit und benötigt insgesamt einen Verkehrsraum von 2,25 m Breite.
Hinweis: Die Fahrzeugbreie der Straßenbau-Regelwerke ist seit vielen Jahren nicht mehr angepasst worden. Tatsächlich messen durchschnittliche PKW bis hin zu SUV 2 – 2,20 m in der Breite.

Bewegungsraum Fahrrad 1,00 m
Mindestabstand beim Überholen 1,50 m
Bewegungsraum Auto 2,25 m
Flächenbedarf für ein Nebeneinander/Überholen 4,75 m

 

Vergleicht man den benötigten Platz mit den Breiten der Schutzstreifen, dann erkennt man, dass zum Überholen bei Gegenverkehr ein ganzer Meter fehlt. Bei beiden Streifen sind in den obigen Maßen die Abstände zwischen Radfahrer und Bordstein sowie zwischen Autofahrer und Mittellinie noch nicht berücksichtigt. Bei Schutzsteifen ist dann auch der gegenüberliegende Fahrsteifen so schmal, dass der Abstand zum Gegenverkehr sehr gering wird, bzw. dass Fahrzeuge noch weniger Abstand zum Radfahrer halten.

Genau das spiegelt sich auch in unseren Testfahrten wieder. Durch die Linienführung werden Kraftfahrer verleitet, die Radfahrer ohne nötigen Abstand zu überholen. Durch die plötzlich unmittelbar neben den Radfahrern auftauchenden KFZ erschrecken sich diese regelmäßig, was nicht zu einem angenehmen und gefühlt sicheren Rad fahren beiträgt. Radfahrer werden auf den GefährdungsSchutzstreifen von PKW mit knapp 50 cm Abstand überholt, bei LKW ist es entsprechend weniger. Ein Radfahrer aus unserem privaten Umfeld ist sogar von einem LKW am Ellenbogen touchiert worden und konnte sich nur dank guter Fahrkünste gerade so eben auf dem Rad halten.

Die Alternative ist, nur auf einer Seite einen (breiten) Radfahrstreifen zu markieren. So können Radfahrer in dieser Richtung sicher neben dem Kraftverkehr fahren. In Gegenrichtung ist der Fahrstreifen so schmal, dass ein Überholen bei Gegenverkehr unmöglich ist. (Im Gegensatz zum Schutzstreifen, bei dem das Überholen ohne Sicherheitsabstand möglich wäre.) So ist der Radfahrer in beiden Richtungen sicherer Unterwegs als bei Schutzstreifen.

Einseitiger Radfahrstreifen
Die verbindlichen Empfehlungen für Radverkehrsanalgen (ERA 2010) schlagen für enge Straßen mit Steigungen eine asymmetrische Fahrbahnaufteilung vor. Bergaufführend – also dort wo Radfahrer recht langsam ist – wird ein Radfahrstreifen in ausreichender Breite markiert. So kann der KFZ-Verkehr die Radfahrer problemlos überholen, ohne extrem langsam hinter diesen herzufahren zu müssen und auf eine Lücke im Gegenverkehr zum Überholen zu hoffen.

Asymetrische Fahrbahnaufteilung – Quelle der Grafik (bearbeitet): http://www.bikewalnutcreek.org

Bergab kann der Radverkehr leicht höhere Geschwindigkeiten erreichen. Hier kann Mischverkehr (hintereinander) auf der Fahrbahn stattfinden. Dazu muss allerdings diese Fahrspur so schmal sein, dass ein „Nebeneinander“ in der Fahrspur nicht möglich ist. Der KFZ-Verkehr kann den Radverkehr bei Gegenverkehr so nicht überholen. Dies ist kein Nachteil gegenüber Schutzstreifen, weil das auch bei denen gilt (Überholen nur mit ausreichendem Seitenabstand). Bei freier Gegenfahrbahn kann der Radfahrer allerdings wie sonst üblich überholt werden. Auf der bergab führenden Seite wird von einigen Fahrradverbänden empfohlen, dass Radfahrer hier nicht ganz rechts am äußersten Fahrbahnrand fahren, sondern eher mittig auf dem rechten Fahrstreifen. Denn das Radfahren in Bordsteinnähe verstehen einige Autofahrer als Einladung zum gefährlich engen Überholen.

Bisher ist dieser Vorschlag bei der Verwaltung auf wenig Gegenliebe gestoßen. Man will „Radfahrern in beiden Richtungen einen Raum bieten, damit sie als Verkehrsteilnehmer wahrgenommen werden“. Unserer Meinung hingegen werden Schutzstreifen nicht zu mehr Radverkehr führen, weil die beengten Verhältnisse nicht den nötigen Schutz und Sicherheitsabstand bieten. Anstatt von Schutzstreifen sollte die Stadt besser einseitige Radfahrstreifen einrichten. Schon bei kleinen Höhenunterschieden sollten diese können in Steigungsrichtung verlaufen, auch um einen besseren Verkehrsfluss auf der Fahrbahn zu ermöglichen.

Um Radfahrern ihren Verkehrsraum anzuzeigen, kann ein Fahrradsymbol mit Pfeil auf der Fahrbahn aufgetragen werden. Gleichzeitig weist dies den Kraftverkehr darauf hin, dass der Radverkehr berechtigt ist die Fahrbahn zu nutzen, was ohnehin laut StVO der vorrangige Raum für Radverkehr ist.

In anderen Ländern wird eine so genannte Sharrow-Markierung schon erfolgreich eingesetzt. Sharrow ist ein zusammengesetztes Wort aus „Shared lane marking with arrow„. Sinngemäß übersetzt: Gemeinsamer Fahrstreifen.

Asymetrische Fahrbahnaufteilung – Quelle der Grafik: https://www.sfmta.com

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